Was das EuGH-Google Urteil mit den Soldatenmorden von Lebach zu tun hat


Wie man der Zitatesammlung von Meedia entnehmen kann, dann befürwortet die Mehrzahl der deutschen Medien die EuGH Entscheidung C-131/12  (PDF) .

Diese spricht  konkret dem Spanier Mario Costeja Gonzalez das Recht zu, von Google zu verlangen dass zwei Links aus der Ergebnisliste bei der Suche nach seinem Namen zu entfernen sind, die seinen Namen in Zusammenhang mit einer Pfändung  nennen. Aus der Pressemitteilung  des EuGH:

Auf diesen Seiten wurde u. a. die Versteigerung eines Grundstücks angekündigt, die im Zusammenhang mit einer Pfändung wegen Schulden stand, die Herr Costeja González bei der Sozialversicherung hatte.

Herr Costeja González behauptete in diesem Zusammenhang, dass die Pfändung, von der er betroffen gewesen sei, seit Jahren vollständig erledigt sei und keine Erwähnung mehr verdiene.

Sie verpflichtet Suchmaschinenbetreiber allgemein dazu, diesem “Recht auf Vergessen” unter bestimmten Umständen auch dann nachzukommen, wenn die Ursprungsseite nicht gelöscht wird / werden muss.

Letzterer Aspekt wird in vielen Kommentaren ebensowenig erwähnt, wie  die Natur der verlinkten Ursprungsseiten.

Es handelt sich um Seiten aus dem digitalisierten Archiv (Januar und März 1998) einer spanischen Regionalzeitung (La Vanguardia). Interessanterweise nicht aus dem redaktionellen Teil, sondern wenn ich es richtig sehe eher aus dem Bereich der amtlichen Bekanntmachungen, im Rahmen von Anzeigen des zuständigen Ministeriums.  Wer sich das selbst ansehen will, hier sind die Links (Seite 1, Seite 2). Im übrigen weiterhin recht leicht zu finden.

Vor diesem Hintergrund ist der Konjunktiv von Ole Reißmann besonders  “ähm” amüsant:

Ole Reißmann, Spiegel Online:

“Schließlich kann nun auch die paradoxe Situation entstehen, dass Medien über etwas berichten, was in den Google-Treffern nicht auftauchen darf.”

Das bringt mich denn auch zu den Fragen die mich in diesem Zusammenhang beschäftigen  (Achtung: Steigende Meta-Gefahr)

  • Darf die Archivsuche auf lavanguardia.com weiterhin die entsprechenden Seiten  in seiner Ergebnisliste anzeigen, und wenn ja warum?
  • Darf Google dann weiterhin die Pressemitteilung des EuGH in der Ergebnisliste anzeigen, da in dieser ja auch darüber berichtet wird, dass “über eine natürliche Person im Zusammenhang mit einer Zwangsversteigerung  berichtet wurde”
  • Darf Google weiterhin einen Link zu einem Artikel auf welt.de anzeigen, in dem über das Urteil mit voller Nennung des Namens berichtet wird?
  • Darf die Archivsuche auf welt.de in ihrer Ergebnisliste den obigen Artikel anzeigen?

Aber was hat das ganze mit den Soldatenmorden von Lebach zu tun?

Im Zusammenhang mit den Soldatenmorden von Lebach fällte das Bundesverfassungsgericht  1973 ein unter dem Namen “Lebach-Urteil” bekanntgewordene Grundsatzurteil zum Verhältnis von Rundfunkfreiheit und Persönlichkeitsrecht und kam zu dem Schluss, das das Persönlichkeitsrecht des inzwischen verurteilten und einsitzenden Täters insbesondere dann überwiegen, wenn durch die Berichterstattung die Resozialisierung gefährdet ist. Es verbot die Ausstrahlung eines Dokumentarspiels in dem die Täter mit vollem  Namen genannt wurden.

Daher wollte ich wissen was Google mir wohl liefert, wenn ich den vollen Namen des dritten Täters bei Google eingebe (resp. den Namen plus Lebach).

Also analog zu den Such-Anfragen die Herrn Mario Costeja Gonzalez und den EuGH störten. Wobei es zumindest für mich schwerer wiegt mit einem Mord in Verbindung gebracht zu werden als mit  einer Pfändung.

Da ich den Namen des dritten Täters nicht kannte musste ich diesen erst recherchieren.

Ich habe ca. 5  Minuten gebraucht bis ich via Google den vollen Namen des dritten Täters kannte.  Und zwar weil ich es  zunächst eher umständlich gemacht habe. Mein Weg führte mich über den xywiki, zur der Aktenzeichen XY Sendung von 1969 (auf Youtube) die mir die vollen Namen der beiden Haupttäter lieferte.  Über die Eingabe des Namens der Haupttäter bekam ich dann den Namen des dritten Täters.

Ich hätte es auch einfacher haben können und einfach “lebach-morde” eingeben können. Dann hätte ich gleich an Platz drei der Trefferliste eine Seite die mir Namen der Haupttäter geliefert hätte gefunden. Und zwar in einem Artikel aus dem Spiegel-Archiv.

Gibt man den Namen des dritten Täters plus lebach ein,  dann sind:

  • die ersten beiden Treffer Seiten aus dem Spiegel-Archiv,
  • Treffer drei und vier Artikel aus dem Zeit-Archiv

Natürlich führt eine Suche nach dem Namen des dritten Täters sowohl in der Archivsuche des Spiegel als auch der Zeit zu den jeweiligen Seiten aus dem Archiv.

Es stellen sich hier also die gleichen Fragen wie oben.

Was passiert aber, wenn erst Google und dann auch Spiegel und Zeit die Suchergebnisse nach dem Namen des dritten Täters aus der Trefferliste entfernen?

Erzähle mir keiner, dass es ganz lange dauern würde, bis man auf die Idee kommt, dann, wenn man über Google nichts findet, direkt im  Spiegel -Archiv zu suchen. War ja nur DAS Magazin Ende der 60er Jahre.

Und dann, wenn man mit einer Namenssuche nichts findet, vielleicht einfach nur nach Lebach  in den Jahrgängen 1969 – 1972 sucht.

Wenn man das im übrigen tut, findet man auch heraus, dass der Spiegel 1972 dem dritten Täter den veränderten Namen Erwin Knabe gegeben hat.  Der Name wurde in den Artikeln von 1969 natürlich nicht geändert.

Im übrigen hat das Bundesverfassungsgericht in einem weiteren Urteil (Lebach II) es 1999 SAT1  erlaubt,  eine Dokumentation über die Lebachmorde auszustrahlen.  In seiner Begründung heisst es u.a.:

Auch die Resozialisierung des Verfügungsklägers erscheint durch die Ausstrahlung des Films nicht gefährdet, weil der Film nach den Feststellungen der Zivilgerichte Personen, die den Verfügungskläger nicht als Täter kennen, keine Identifizierungsmöglichkeit gibt. Zwar ist es nicht ausgeschlossen, mittels entsprechender Recherchen die Namen der Täter herauszufinden. Angesichts des Zeitabstands der Tat von nunmehr 30 Jahren liegt diese Gefahr aber äußerst fern.

Wir haben ja oben gesehen wie schwierig es heute – 45 Jahre nach der Tat –  ist, die Namen der Täter zu recherchieren.

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